Anleitung zur Werkerschließung im Kunstunterricht (Sekundarstufe I)
Die Werkerschließung im Kunstunterricht bezieht sich auf den Prozess, bei dem Schülerinnen ein Kunstwerk systematisch untersuchen und dessen Inhalt, Form und Bedeutung erschließen. Dies fördert nicht nur das Verständnis von Kunst, sondern auch die Entwicklung der eigenen ästhetischen Wahrnehmung und Kreativität. Die Werkerschließung sollte methodisch und strukturiert erfolgen, um den Schülerinnen zu helfen, tiefer in das Kunstwerk einzutauchen.
1. Einführung in das Kunstwerk:
Zu Beginn ist es wichtig, das Kunstwerk vorzustellen und den Schüler*innen einen ersten Eindruck zu vermitteln. Dies kann durch eine offene Frage erfolgen: „Was fällt euch bei diesem Kunstwerk auf?“ Dabei sollten alle Sinne angesprochen werden: Was seht ihr? Welche Farben und Formen sind dominant? Welche Materialien wurden möglicherweise verwendet?
2. Beschreibung des Kunstwerks:
Der nächste Schritt besteht darin, das Kunstwerk detailliert zu beschreiben. Hierbei geht es um eine objektive Betrachtung, bei der keine Interpretation, sondern lediglich eine präzise Erfassung der sichtbaren Merkmale erfolgt. Fragen, die dabei helfen, sind:
• Was ist auf dem Bild dargestellt?
• Welche Elemente wie Formen, Linien, Farben oder Texturen sind vorhanden?
• Gibt es bestimmte Kontraste oder Wiederholungen?
• Welche Technik könnte der Künstler verwendet haben (z.B. Aquarell, Öl, Collage)?
3. Analyse der Form und des Stils:
Im Anschluss erfolgt eine tiefere Auseinandersetzung mit der Form und dem Stil des Kunstwerks. Die Schüler*innen sollen sich überlegen, wie der Künstler die Elemente des Bildes verwendet hat. Wichtige Aspekte, die hier untersucht werden können, sind:
• Komposition: Wie sind die einzelnen Elemente des Kunstwerks angeordnet?
• Farbgestaltung: Welche Farben dominieren das Werk? Welche Stimmungen oder Assoziationen könnten sie hervorrufen?
• Proportionen und Perspektive: Wie sind die Größenverhältnisse und die Perspektive im Bild dargestellt?
• Materialwahl und Technik: Welche Materialien wurden eingesetzt, und wie beeinflussen sie den Ausdruck des Werkes?
4. Kontextualisierung des Kunstwerks:
Ein weiterer wichtiger Schritt ist die Einordnung des Kunstwerks in seinen historischen und kulturellen Kontext. Dabei wird das Kunstwerk in die jeweilige Epoche, den Künstler oder die Schule (z.B. Impressionismus, Expressionismus) eingeordnet. Die Schüler*innen sollten sich mit der Frage auseinandersetzen:
• Wann wurde das Kunstwerk geschaffen?
• Was war das politische oder soziale Umfeld zu dieser Zeit?
• Wie spiegelt sich die Lebensweise oder die Philosophie des Künstlers im Werk wider?
5. Interpretation und Deutung:
Die Interpretation ist der subjektive Teil der Werkerschließung, bei dem die Schüler*innen ihre eigenen Gedanken und Gefühle zu dem Kunstwerk äußern. Es ist wichtig, dass sie ihre Deutungen mit konkreten Beispielen aus dem Werk belegen. Fragen, die bei der Interpretation helfen, sind:
• Welche Gefühle oder Gedanken ruft das Kunstwerk bei mir hervor?
• Welche Botschaft könnte der Künstler vermitteln wollen?
• Gibt es symbolische Bedeutungen in den dargestellten Formen oder Farben?
6. Reflexion und eigene Stellungnahme:
Zum Abschluss sollten die Schüler*innen eine eigene Stellungnahme zu dem Kunstwerk abgeben. Dies ist eine Reflexion über das Werk und seine Bedeutung für sie persönlich. Dabei können folgende Fragen helfen:
• Hat das Kunstwerk meine Sichtweise auf die Welt verändert?
• Welche Bedeutung hat es für mich persönlich?
• Würde ich dieses Kunstwerk in meiner Umgebung ausstellen oder anders betrachten?
Zusammenfassung der Werkerschließung:
Eine vollständige Werkerschließung besteht aus der objektiven Beschreibung des Kunstwerks, einer Analyse der Form und des Stils, einer Kontextualisierung sowie einer persönlichen Interpretation. Es ist wichtig, dass Schüler*innen lernen, Kunstwerke sowohl rational als auch emotional zu erschließen. Indem sie sich mit den verschiedenen Aspekten eines Kunstwerks auseinandersetzen, können sie nicht nur ihr ästhetisches Verständnis vertiefen, sondern auch ihre eigenen kreativen Ausdrucksmöglichkeiten weiterentwickeln.
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